Poetry & Science At The same Table: A Discussion Between Raoul Schrott & Gerd Folkers

Dichtung und Wissenschaft am selben Tisch: der Schriftsteller Raoul Schrott (links) und der Naturwissenschafter Gerd Folkers (rechts). (Bild: NZZ / Karin Hofer)
Dichtung und Wissenschaft am selben Tisch: der Schriftsteller Raoul Schrott (links) und der Naturwissenschafter Gerd Folkers (rechts). (Bild: NZZ / Karin Hofer)
An extract from a discussion in today’s Neue Zuricher Zeitung; you can read the full piece here.

Raoul Schrott und Gerd Folkers: «Uns verbindet die Bricolage»

“What connects us is bricolage”

by Roman Bucheli 
Können Naturwissenschafter mit Dichtern oder Künstlern noch über ihre Arbeit reden? Der Schriftsteller Raoul Schrott und der Pharmakologe Gerd Folkers führen es vor.

Herr Schrott, Goethe und Schiller sind sich in Jena nach einer Sitzung der Naturforschenden Gesellschaft begegnet. Es war der Anfang einer grossen Freundschaft. Könnten Sie sich heute eine ähnliche Begegnung mit Dichtern in Naturforschenden Gesellschaften vorstellen?

Raoul Schrott: Leider nein. Aber immerhin gibt es ein Fähnlein der Aufrechten, vielleicht ein Dutzend Schriftsteller, Thomas Lehr, Ulrich Woelk, Ulrike Draesner etwa, mit denen ich mich sowohl über Dichtung wie über Naturwissenschaften austauschen könnte. Mir steht aber immer das Beispiel des romantischen Dichters Samuel Coleridge vor Augen. Er ging regelmässig zu den Abenden der Königlichen Geologischen Gesellschaft, um «seinen Vorrat an Metaphern aufzustocken», wie er sagte. Wer würde das heute noch tun?

Eingriffe der Chemiker bringen neue Bilder hervor. (Bild: Hans Danuser)
Eingriffe der Chemiker bringen neue Bilder hervor. (Bild: Hans Danuser)

Herr Folkers, Sie hatten als Leiter des Collegium Helveticum an der ETH Zürich mit Naturwissenschaftern und mit Künstlern zu tun. Gab es da einen fruchtbaren Austausch in beiden Richtungen?

Gerd Folkers: Aber gewiss! Aus der Begegnung der Chemiker mit dem Fotografen Hans Danuser zum Beispiel sind an der ETH Dissertationen hervorgegangen. Sie haben aus seinen nass entwickelten Fotografien mit Nanotechnologie das Silberkorn freigelegt und durch ein anderes Element im Periodensystem ersetzt. Es entstand ein völlig neues Bild. Die Massenware wurde zum Unikat.

Aber das sind doch Spielereien?

Folkers: Keineswegs, denn das hat massive Diskussionen ausgelöst darüber, was da überhaupt passiert. Ist das noch ein Kunstwerk, ist das schon Chemie? Oder von dem Schriftsteller Michel Mettler haben wir sehr viel über Sprache gelernt. Wir haben etwa untersucht, wo denn das Ich in den Naturwissenschaften verschwindet. Wir sagen ja alle nur noch «wir». Darauf wären wir ohne die literarischen Interventionen von Michel Mettler nicht gekommen.

Was können Naturwissenschafter von Dichtern oder Künstlern lernen?

Folkers: Unsere Narrative leiden unter einer Verflachung des Jargons. Damit leiden sie auch darunter, dass sie immer weniger austauschbar sind. Und damit werden sie auch nicht mehr befruchtet. Das heisst, man isoliert sich gleichzeitig auch selber. Selbst innerhalb der Disziplinen sprechen die Subdisziplinen teilweise so verschiedene Sprachen, dass sie sich nur mit Mühe verständigen können.

Schrott: Diese Kluft zwischen den Disziplinen – vor allem aber zwischen den Natur- und den Geisteswissenschaften – hat sich zu öffnen begonnen, als Galilei mit Instrumenten eine Welt zu zeigen begann, die nicht mehr unmittelbar sinnlich erfahrbar war. Zu Schillers und Goethes Zeiten war die Kluft noch überbrückbar und das Spezialwissen zugänglich und mit blossem Interesse anzueignen. Danach aber begannen sich die Bereiche immer weiter zu vertiefen, sich voneinander zu trennen – und verloren dabei zunehmend ihre Anbindung an das, was ich den Horizont unserer «Alltagskultur» nennen möchte.

Folkers: Es ginge also darum, Gesprächsebenen zu finden, auf denen sich die Leute überhaupt wieder treffen, damit sie über Phänomene reden können, die vergleichbar sind.

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